Nochmals documenta-Kritik aus Berlin – Kulturausschuss bestätigt pauschalierenden Antisemitismus-Begriff
09.02.2023 (mm/red) In Berlin hat Kulturausschuss des Bundestages erneut die documenta 15 thematisiert. Der Abschlussbericht des Gremiums zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta fifteen diente als Anlass für erneute Kritik an der Kassler Kunstschau 2022. Der Kulturausschuss wiederholte pauschale und überhöhende Antisemitismusvorwürfe zugleich verbunden mit dem Versuch dem Bund zukünftig größere Einflussnahme zu eröffnen.
Der 132 Seiten umfangreiche Abschlussbericht zählt erneut die als antisemitisch betrachteten Werke auf, bildet sie ab und schreibt damit die pauschale und mit tendenziösen Maßstäben unterlegte Kampagne in Deutschland insbesondere in den großen Printmedien fort. Einzelne aus den Kontexten herausgegriffene oft Jahrzehnte alte und in anderen Ländern und Kulturtraditionen entstandene Zeichnungen finden sich als Belege bemüht.
„Das Gremium zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta fifteen erhebt in ihrem Abschlussbericht schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen der Kunstausstellung im vergangenen Jahr in Kassel. Trotz frühzeitiger Hinweise hätten die Verantwortlichen der Ausstellung nur schleppend und dann mit erheblichem Widerstand auf die Antisemitismus-Vorwürfe reagiert…“ findet sich die Sitzung einleitend beschrieben.
Wer von dem vom Bundestag eingesetzten Gremium neue Gedanken und eine differenzierte Betrachtung erwartet hatte wurde enttäuscht. Es gab bekannte Positionen, deren Brüchigkeit und Anmaßung bereits während der documenta fifteen hinterfragt worden sind, in erneuter Aufbereitung. Zur documenta in Kassel kam nichts Neues. Bedenklich stimmen muss, dass auch dieses Gremien Kriterien aus dem politischen Raum fortschreibt und damit für den Kunstbetrieb Geltung bereiten will.
Dabei wird unübersehbar, dass es seitens des Bundes – vertreten durch Kulturstaatsministerin Claudia Roth – Begehrlichkeiten auf zunehmende Einflussnahme auf die Ausrichtung der documenta gibt. Das Lob von Roth über die Arbeit des Gremiums offenbart dies allzu deutlich. Das freilich ist ein ganz anderes Terrain, belegt politische Begehrlichkeiten die kontraindiziert sind zu einem gedeihlichen Kunstgeschehen.
So muss sich das Gremium die Frage gefallen lassen, welchen Auftrag es zu erfüllen trachtet. Wenn Sprecherin Nicole Deitelhoff eingesteht, dass in der Antisemitismuskritik zu Werken auf der documenta fifteen es Überschneidungen gegeben habe mit antizionistischen Motiven und Kritik an der Besatzungspolitik Israels, wird die Ambivalenz der Gesamtdebatte deutlich.
Wenn gar im Kontext der Sitzung des Kulturausschusses davon die Rede war die documenta sei „grausam“, stellen sich ganz andere Fragen. Die documenta fifteen hat Künstler und Werke aus dem „Süden“ in den Fokus gerückt. Damit war das Thema des Kolonialismus und Postkolonialismus eng verbunden. Dies bescherte nun einmal nicht die Schokoladenseite und übliche Verbrämungen von indigener oder wie auch immer apostrophierter Kunst aus der „Dritten Welt“. Das Publikum hat dies hundertausendfach während der documenta mit offenen Augen und Sinnen wahrgenommen und hat die Chancen zur Auseinandersetzung genutzt.
Die Bundespolitik ist hierzulande mit Waffenlieferungen und weiterer Beförderung des Ukraine-Krieges beschäftigt. Das ist grausam und unverantwortlich. Dazu konnte und kann eine documenta fifteen mit Blickrichtung auf den globalen Süden nicht recht passen. Es musste eine ideologisierte Staatsraison herhalten und Medien habe sich weithin dafür instrumentalisieren lassen. In Deutschland war dies so, in anderen Ländern hat man die verengten Debatten weder sonderlich wahrgenommen noch für wesentlich gehalten.
Es muss sich zeigen wie es zukünftig um die Freiheit der Kunst in diesem Land bestellt sein wird. Die documenta steht dafür und es braucht keine gerichtete Einmischung des Bundes für deren zukünftige Verwirklichung. Derzeit wäre allenfalls zu befürchten, dass alle „Russischen Elemente“ gefolgt von „Chinesischen Elementen“ fernzuhalten wären. Roger Waters kann ein Lied davon singen – in Dortmund und München wird aktuell alles dafür getan Konzerte des kritischen Musikers zu verhindern.