Christian Wolff-Vorlesung über KI-Technologien und Herausforderung unser Menschenbildes
09.06.2023 (wm/red) Aus der grundlegenden Frage „Was wird aus dem Menschen?“, die angesichts der rasanten technologischen Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz immer drängender wird, leitet Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs sein Plädoyer für einen neuen Humanismus ab. Der renommierte Heidelberger Psychologe und Psychiater ist Festredner der Christian Wolff-Vorlesung 2023 am Montag, 12. Juni – 20 Uhr, in der Aula der Alten Universität, Lahntor 3.
„Die gegenwärtige Sicht des Menschen auf sich selbst ist gekennzeichnet von einer tiefen Ambivalenz. Einerseits misst sich der Mensch die gottgleiche Macht zu, künstliche Intelligenz, künstliches Leben oder sogar Bewusstsein zu erzeugen. Auf der anderen Seite jedoch steht ein tiefer Pessimismus.“
Thomas Fuchs zeichnet seinem Vortrag die Entwicklung dieser Ambivalenz seit der Neuzeit nach und führt sie zurück auf ein Schwanken zwischen Allmachts- und Ohnmachtsgefühlen, dem letztlich ein kollektiver Narzissmus zugrunde liege.
„Wir versuchen, eine innere Leere zu kompensieren, indem wir durch die Spiegelung unserer selbst in anthropomorphen Maschinen, in digitaler Intelligenz und in virtuellen Bildern ein ideales Selbstbild erschaffen. Dies führt jedoch zu einem paradoxen Resultat: Zunehmend glauben wir an die Überlegenheit unserer eigenen künstlichen Geschöpfe, beginnen uns unseres Daseins als Wesen aus Fleisch und Blut zu schämen, und die Selbstüberhöhung schlägt am Ende in Selbsterniedrigung um“, so Fuchs. Daher plädiert er in seinem Vortrag für einen neuen Humanismus. Die Vorlesung wendet sich an Wissenschaftler, Philosophen und die interessierte Öffentlichkeit.
Thomas Fuchs ist seit 2010 Karl-Jaspers-Professor für Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Heidelberg. In zahlreichen Debattenbeiträgen äußert er sich zu den Möglichkeiten menschlicher Integrität angesichts erheblicher technischer, gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen. Seine Bemühungen um einen Humanismus unter heutigen Bedingungen wurden jüngst durch den Erich-Fromm-Preis gewürdigt.