„Ever. Present. Past.“ in Hessen Kassel Heritage – Hessische Kulturstiftung bringt Werke in eine spannungsvolle Dialog-Präsentation
08.07.2023 (yb) Mit der Sonderpräsentation „Ever. Present. Past. – Geschichte als Inspiration“ zeigt die Hessische Kulturstiftung vom 7.Juli bis 24. September 2023 in der Neuen Galerie und Schloss Wilhelmshöhe in Kassel Arbeiten von acht ihrer ehemaligen Stipendiaten. Gemeinsam begehen und inszenieren Hessen Kassel Heritage und die Hessische Kulturstiftung das 30-jährige Jubiläum der Reise- und Atelierstipendien der Stiftung. Mit diesen Förderprogrammen haben bislang 222 bildende Künstler/innen von Hessen aus auf internationale Kunst- und Studienreisen gehen können.
Recherchen in Sammlungen und Archiven und das Studium von Originalen als Inspirations- und Lernquelle ist seit jeher essentieller Bestandteil und ein grundlegendes Anliegen bei Künstlerreisen. Aus diesem Kontext speist sich die Ausstellung und präsentiert dies als Thema stellvertretend mit Werken von Viola Bittl, Zuzanna Czebatul, Gabi Hamm, Julian Irlinger, Marko Lehanka, Laura J. Padgett, Laura Schawelka und Jan Schmidt.
Was mit >Ever. Present. Past< gemeint sein mag
Den Besucher/innen wird damit zugemutet und angeboten Sphären musealer Exposition zu verlassen und sich auf eine Metaperspektive einzulassen. Anknüpfung, Adaption, Übernahme, Kontrast, Dekonstruktion kanonischer Rezeptionsweisen bis hin zur radikalen Infragestellung finden sich als anspruchsvoll verwirklichtes kuratorisches Konzept angelegt. Dr. Sylvia Metz als Kuratorin und Christin Müller als Co-Kuratorin gehen unterstützt von vier Sammlungsleitern in Kassel andere Wege. Hessen Kassel Heritage mit seinen riesigen Kunstsammlungen lässt sich von der Hessischen Kulturstiftung als Initiatorin der Austellung auf neue Wege locken.
In unmittelbarer Nachbarschaft und direkter Gegenüberstellung gehängt und inszeniert zu Werken in den Kasseler Sammlungen eröffnen sich unbewöhnliche Zugänge und Wahrnehmungen zu dem künstlerisch-zeitgenössischen Umgang mit klassischen kunsthistorischen Sujets und Genres. Überlieferte Motive erfahren mit kontrastierend und korrespondierend ausgestellten Werken eine veränderte Präsentation, werden kommentiert, erweitert und je in einen ungwöhnlichen Dialog mit Spannungsverhältnis gestellt.
Die Künstler/innen setzen sich mit sehr unterschiedlichen Fragestellungen auseinander. Einige stellen Bezüge auf konkrete malerische oder skulpturale Vorbilder aus großen Sammlungen und Archiven her. Andere stehen für übergeordnete Themen und Topoi, so die Zugänglichkeit von Museen, das Adressieren an alle Menschen oder Ringen um Deutungshoheit in Kulturinstituten. Die Infragestellung von Museum oder Kunstsammlung als Orte etablierter Hochkultur wird nicht ausgespart. Aktuelle Post- und De-Kolonialisierungsdebatten schwingen mit und Fragen zu Werk und künstlerischem Urheber und (Be-)Recht(tigung) zur Kopie mit heutigen Hi-Tec-Mitteln werden aufgeworfen.
Wie sich in der Ausstellung zeige, seien „manche Fragen und Themenkomplexe über die Jahrhunderte unverändert, nahezu zeitlos geblieben“ findet sich im Begleitheft der Ausstellung „Ever.Present.Past.“ mitgeteilt. Dazu gehöre „die Auseinandersetzung mit der menschlichen Vergänglichkeit sowie der Materialien der Kunstwerke.“
Andere Aspekte sind längt für zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen ganz neu hinzugekommen. Zugleich erweisen sie sich für Besucher/innen und die Institutionen selbst mit zunehmender Bedeutung als Anliegen der Zeit:
- Welche Relevanz besitzt ein Museumsbesuch vor Ort heutzutage eigentlich noch?
- Ist Museumsbesuch in Zeiten online verfügbarer Museumsrundgänge, künstlicher Intelligenz und Digitalisierung von Archivmaterialien überhaupt noch nötig?
- Welche Bedeutung hat ein Original im Gegensatz zu einer (digitalen) Kopie oder Reproduktion?
Die dialogische Präsentation der sorgfältig ausgestellten Werke lädt zu einem offenen, neugierigen Rundgang ein. Zunächst einmal können acht Künstlerinnen und Künstler auf ihren genuinen Reisen durch Zeit und Sammlungen begleitet werden. Ob sich für den Betrachter „neue Antworten auf … unseren Umgang mit Kulturgütern relevanten Fragen“ erschließen, wie im avancierten kuratorischen Konzept dieser Sonderausstellung in den beiden prominenten Kunsthäusern in Kassel angelegt ist, wird sich erweisen können. Eine breite Wahrnehmung ist zu wünschen – ab nach Kassel.