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Filmaufnahmeverbot beschäftigt erneut den Kreistag Marburg-Biedenkopf

20.05.2022 in Stadtallendorf: Sebastian Sack droht rechtliche Schritte gegen den Kameramann an, falls Videoaufnahmen von seine Rede veröffentlicht werden. Foto nn

16.09.2023 (pm/red) Das Thema Filmverbot im Kreistag Marburg-Biedenkopf erhält neue Aktualität, da in der kommenden Kreistagssitzung am 29. September zwei Anträge dazu auf der Tagesordnung  stehen. Ein jetzt veröffentlichter Filmbericht aus der Sitzung des Kreistages Marburg-Biedenkopf vom 20. Mai 2022 zeigt, wie führende Lokalpolitiker von SPD und FDP versucht haben mit haltlosen rechtlichen Drohungen einen Kameramann einzuschüchtern sowie die Veröffentlichung der Aufnahmen der  Redebeiträge zu verhindern.

Doppelmoral der SPD beim Thema Pressefreiheit

Im Europaparlament setzt sich der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken für die Pressefreiheit ein und kritisiert strategische Klagen gegen Journalisten, sogenannte „Strategic Lawsuits against Public  Participation“ – SLAPPs. Seine SPD-Parteikollegen in Marburg nutzen hingegen rechtliche Drohungen, um Journalisten einzuschüchtern.

SPD-Politiker verbot Filmberichterstattung

Die Auseinandersetzung um Film- und Tonaufnahmen im Kreistag Marburg-Biedenkopf begann im Dezember 2021. „Weiterdenken-Marburg“ – ein unter Aufsicht der Landesmedienanstalt stehendes „Telemedium“ – wollte einen Filmbericht der Kreistagssitzung anfertigen, und Dr. Frank Michler hatte dies dem Vorsitzenden Detlef Ruffert satzungsgemäß angezeigt. Obwohl die Hauptsatzung des Kreistages eine Filmberichterstattung unmissverständlich zuließ, sprach der SPD-Politiker ein Verbot aus. Dies wiederholte sich in den folgenden Sitzungen. Erst das Verwaltungsgericht Gießen konnte mit seinem Beschluss vom 19.05.2022 Detlef Ruffert dazu bewegen, die Satzungsbestimmung einzuhalten.

Unermüdliche Kämpfer gegen die Pressefreiheit

Zähneknirschend musste der Kreistagsvorsitzende zu Beginn der Sitzung am 20.05.2022 den Gerichtsbeschluss bekanntgeben, der es ihm untersagt, Film- und Tonaufnahmen erneut zu verbieten. Der mit einem erheblichen Anfahrtsweg angereiste Kameramann nahm seine Arbeit auf und positionierte sein Stativ am Rande des Sitzungssaales. Doch der SPD-Kampf gegen die Pressefreiheit ging nun mit anderen Mitteln weiter. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Werner Hesse forderte den Kameramann vehement auf, die Aufnahme während seiner Rede zu stoppen.

Politiker-Reden sind keine Privatangelegenheit

Als wäre der Filmbericht einer Politiker-Rede im Kreistag vergleichbar damit, wenn ein totalitärer Staat uns im öffentlichen Raum mit Kameras überwacht, begründete Hesse seine Forderung mit dem >Recht auf informationelle Selbstbestimmung<. „So wurde grotesk, mit welchen an den Haaren herbeigezogenen Argumenten SPD-Abgeordnete hier versucht haben, ein Verwaltungsgerichtsurteil und die Pressefreiheit zu untergraben, kommentiert Dr. Frank Michler (Bürgerliste Weiterdenken) den Versuch des Sozialdemokraten, den Kameramann einzuschüchtern.

Doch dieser setzte seine Arbeit unbeirrt fort. Hesse eskalierte nun das Drama und beantragte eine Sitzungsunterbrechung für eine Zusammenkunft des Ältestenrates. Da das Gerichtsurteil jedoch ebenso unmissverständlich war wie die zu diesem Zeitpunkt noch gültige Regelung in §4a (1) der Hauptsatzung, konnte der Ältestenrat zu keinem anderen Ergebnis kommen als das Verwaltungsgericht Gießen: die Film- und Tonaufnahmen mussten satzungsgemäß zugelassen werden.

SPD-Politiker klassifiziert Filmberichterstattung als Geringschätzung

Nach der Sitzungspause steigerte der Träger des „Bundesverdienstkreuzes am Bande“ Hesse seine Theatralik. Eine mögliche Filmberichterstattung seiner Rede bezeichnete er als Geringschätzung seiner Arbeit: „Unter diesen Bedingungen bin ich nicht bereit, hier, heute meinen Beitrag abzugeben, mein Rederecht wahrzunehmen“, deklamierte Hesse. Er betonte seine Hoffnung, dass es einst eine Klarstellung geben werde, „die zeigt, dass das, was hier gemacht wird, nicht mit unseren Maßstäben vereinbar ist“, so Hesse.

SPD-Landtagskandidat Sebastian Sack will keinen Filmbericht seiner Rede und droht

„Ich lege großen Wert auf meine Persönlichkeitsrechte und auf mein Recht an Wort und Bild und bitte Sie, diese Kamera auszumachen, untersage eine Veröffentlichung und werde [mir] bei Zuwiderhandlung rechtliche Schritte vorbehalten.“ So drohte der jetzige SPD-Direktkandidat für den Hessischen Landtag, Sebastian Sack, dem Kameramann, bevor er seine Rede zum Thema UKGM hielt. Eine typische „SLAPP“-Drohung zur Verhinderung freier Berichterstattung. Genau das also, wogegen sich sein SPD-Kollege Tiemo Wölken im EU-Parlament engagiert.

Auch Thomas Riedel (FDP), dessen Portraitfoto kurz zuvor im Landratswahlkampf 2022 überall im Landkreis zu sehen war, machte sich auf einmal Sorgen um seine Persönlichkeitsrechte: „Und auch ich werde mir rechtliche Schritte nicht vorenthalten, wenn es veröffentlicht wird, wenn ich in irgendeiner Art und Weise in dem Video vorkomme. Auch persönlich gegen denjenigen, der filmt.“

Dr. Michler vermutet, dass dieses Einschüchterungstaktik im Ältestenrat abgesprochen war, um Weiterdenken-Marburg von der Veröffentlichung des Filmmaterials abzuhalten.

„Rechtliche“ Drohungen hatten keine Rechtsgrundlage

Im Nachgang der turbulenten Kreistagssitzung vom 20.05.2022 haben sich der Landkreistag sowie der Kreisausschuss mit diesem Vorgang beschäftigt. Bei nüchterner Prüfung der Rechtslage kamen sie zu dem Ergebnis, dass die von Hesse, Sack und Riedel ausgesprochenen Drohungen keine Rechtsgrundlage hatten. In einem Vermerk des Kreisausschusses vom 16.03.2023 heißt es dazu:

„Nach Einschätzung des Hessischen Landkreistages kann eine einzelne Abgeordnete oder ein einzelner Abgeordneter den Film- und Tonaufnahmen nicht widersprechen, sobald es eine entsprechende Regelung in der Hauptsatzung gibt“

Das bizarre Verhalten der SPD- und FDP-Kreistagsabgeordneten kann man zwar auch in der Niederschrift der Kreistagssitzung vom 20.05.2022 nachlesen. Wer liest heutzutage noch so viel Text? Auch Detlef Ruffert hatte in seiner Rede durchblicken lassen, dass eine Filmberichterstattung gegenüber einem reinen Text-Bericht für das Publikum wesentlich zugänglicher ist: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Wer also nicht glaubt, dass sich die Dinge im Kreistag tatsächlich so abgespielt haben, kann es in dem sechseinhalbminütigen Filmbericht mit eigenen Augen und Ohren sehen und hören [9].

Filmberichterstattung ist erneut Thema im Kreistag am 29. September

Die Regelung in §4a (1), welche Film- und Tonaufnahmen durch die Medien im Kreistag erlaubt, wurde auf Antrag von Detlef Ruffert (SPD) in einem Beschluss auf der einzigen gefilmten Sitzung des Kreistages am 20.05.2022 aus der Hauptsatzung gestrichen. Nach Rufferts eigener Aussage sollte die Streichung nur vorübergehend sein, bis man sich eingehender mit dem Thema befasst hat um eine neue Regelung zu finden.

In der kommenden Kreistagssitzung stehen nun zwei Anträge dazu auf der Tagesordnung. Dr. Frank Michler (Bürgerliste Weiterdenken) schlägt in seinem Antrag vor, Rufferts Vorläufigkeitsargument ernst zu nehmen und die Zulässigkeit von Film- und Tonaufnahmen wieder in die Hauptsatzung zu schreiben. Die FDP schlägt vor, dass die Kreisverwaltung eine Live- und Internetberichterstattung für die Sitzungen des Kreistages und seiner Ausschüsse organisiert [11]. Im FDP-Vorschlag soll jedoch jeder Abgeordnete die Möglichkeit bekommen, die filmische Dokumentation seiner Rede zu verhindern.

 

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